Der Neusser Architekt Markus Schmale berichtet von den aktuellen Trends im Bereich Architektur. Im ersten Teil unseres Interviews geht es dabei ganz besonders um die Symbiose zwischen Natur und Architektur.
Ihr Unternehmen Schmale Architekten tritt für die Symbiose von Natur und Architektur ein. Wie lassen sich diese beiden Themen gemeinsam umsetzen?
Die Natur bietet uns alles, was wir benötigen. Die Architektur lässt sich allerdings ohne Natur nicht umsetzen. Um dafür zu sorgen, dass diese Symbiose funktioniert, benötigt man einen aufmerksamen Blick für die Natur und den Willen, diese zu verstehen. Was fast ein wenig philosophisch klingt, ist im Grunde auch eine Besinnung, da Architektur und Natur immer nur gemeinsam funktioniert und dies auch zukünftig so sein wird. Darum müssen wir uns auch der Verantwortung bewusst sein, die wir für die Natur haben.
Was gibt es aktuell zu beachten im Hinblick auf das wachsende Umweltbewusstsein innerhalb der Gesellschaft und den zunehmenden Vorschriften und Gesetzesverabschiedungen? (Energieeffizienz etc.)
Zuerst möchte ich festhalten, dass ich das wachsende Umweltbewusstsein natürlich vollkommen positiv sehe. Es ist wichtig, den Blick und das Verständnis für die Natur wieder zu schulen. Auch die Vorschriften und Gesetzesverabschiedungen möchte ich nicht negativ bewerten. Sie helfen, neue Richtlinien zu integrieren und Ziele umzusetzen. Auch wenn sie in verschiedenen Situationen einschränkend und begrenzend sein können, lassen sie uns Architekten in der Regel genug Spielraum, um unsere Ideen sinnvoll umzusetzen. Darum verstehe ich sie als Leitfäden und Strukturgeber.
Ein gutes Beispiel hierfür sind Vorgärten, die nur aus Kieseln und Steinplatten bestehen. Nur wenige finden diese wirklich schön. Vor etwa 40 Jahren hätte niemand seinen Vorgarten auf diese Weise umgesetzt. Heute sind die Menschen bequemer geworden und andere Aspekte stehen im Fokus, als diese Fläche möglichst nutzbar zu machen. Doch wenn wir wieder mit der Natur in Verbindung treten, wird klar, dass wir nicht alles mit Steinen überlagern können. Wenn es Vorschriften gibt, die das verhindern, wird eine solche Umsetzung schnell undenkbar. Dies sieht man beispielsweise in Bayern oder der Schweiz, wo diese kahlen Vorgärten schon lange verboten sind und der Wunsch nach einer solchen Gestaltung kaum noch besteht.
Was sind für Sie die wichtigsten Trends der nächsten Jahre im Bereich Architektur?
Ich finde es nicht ganz einfach von dem Begriff „Trends“ zu sprechen und würde dieses Wort hier als „Aufgaben“ und „Entwicklungen“ verstehen. Unsere wohl größte Aufgabe sehe ich persönlich darin, den Blick für die uns umgebende Natur wieder zu schärfen und zugleich in unsere Überlegungen mit einzubeziehen, dass sich die Bedürfnisse der Menschen verändern. Es gibt neue Basis Werte, die unsere Entwicklung, Vorstellung und Wünsche beeinflussen. Über dieses Thema könnte man sehr ausführlich sprechen, ich greife hier zwei Aspekte heraus.
Eine spannende Entwicklung ist in den Büros zu beobachten. Auch durch die zunehmende Digitalisierung ist es kein reiner Arbeitsort mehr. Ich würde es vielmehr als einen Marktplatz des Wissensaustauschs verstehen, da wir ihn kaum noch als Ort zur Arbeit benötigen. Nun muss er unser Bedürfnis nach emotionalem Austausch garantieren.
Eine Aufgabe der nächsten Jahre finden wir in den Innenstädten. Historisch waren diese über Jahrzehnte auf den Handel ausgerichtet. Sie wurden selten an den Maßstäben der Natur gemessen. So wurde auch lange unterschätzt, dass auch Innenstädte eine hervorragende Wohnqualität besitzen können. Das sehe ich auch als eine der Aufgaben der Architektur, die Qualitäten der belebten Stadt wieder mehr in den Fokus zu rücken. Neuss ist ein gutes Beispiel dafür, dass dies funktionieren kann: Auch historisch war der innere Ring immer ein Bereich mit hoher Wohnqualität. Schaut man sich im Gegensatz dazu Köln an, sieht man abends nur noch unbewohnte Flächen. Hier müssen Städteplaner wieder erkennen, dass Innenstädte nicht nur durch Einkaufszentren und Filialen lebendig gehalten werden. Die Architektur muss sich an diesen wandelnden Bedarf anpassen. Vielleicht werden wir in Zukunft nicht mehr diese riesige Batterie an Büros benötigen und Städte wieder mehr als Lebens- und Wohnstätte wahrnehmen.